
Traurednerin oder Gast?
Warum ChatGPT keine echte Hochzeitsrede halten kann
In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz in vielen Lebensbereichen Einzug hält, ist es kaum verwunderlich, dass auch die Hochzeitswelt nicht davon unberührt bleibt. Ob Einladungstexte, Ehegelübde oder Hochzeitsreden – viele Paare fragen sich:
Könnte ich mir nicht einfach eine Traurede von ChatGPT schreiben lassen?
Die kurze Antwort lautet: Ja, das ist möglich.
Die lange – und entscheidendere – Antwort: Nein, es ist keine gute Idee.
Denn auch wenn eine KI beeindruckende Texte formulieren kann, bleibt sie immer eines: ein Werkzeug. Und bei einer Trauzeremonie, in der es um Emotionen, Nähe, Persönliches und Einmaliges geht, reicht ein Werkzeug allein nicht aus.
Die Versuchung ist groß – die Wirkung oft enttäuschend
Wer sich traut, steht oft vor der Frage: Wollen wir jemanden aus dem Freundeskreis bitten, die Zeremonie zu gestalten? Oder engagieren wir eine professionellen Traurednerin? Und gerade in der Anfangsphase – wenn Budgets eng sind und der Wunsch nach „etwas Persönlichem“ groß ist – wirkt der Gedanke charmant:
Unsere beste Freundin hält die Rede, ChatGPT hilft ihr beim Text. Passt doch!
Doch was nach einer pragmatischen Lösung klingt, entpuppt sich in der Realität oft als stressig, überfordernd – und am Ende leider auch weniger berührend als gewünscht.
Eine Rede, die berührt, entsteht im echten Gespräch
Als erfahrene, EU zertifizierte Traurednerin weiß ich: Die besten Reden sind nie nur „gut geschrieben“ – sie sind gut gehört.
Wenn ich mit Paaren arbeite, nehme ich mir Zeit. Ich frage nicht nur nach Daten, Fakten und ersten Begegnungen, sondern nach Stimmungen, nach Zwischentönen. Ich sehe das Funkeln in den Augen,
wenn sie über den anderen sprechen. Ich spüre, welche Anekdoten wirklich wichtig sind – auch wenn sie vielleicht beim ersten Erzählen gar nicht so spektakulär klingen.
Diese Tiefe kann keine KI leisten.
Sie kennt keine Nervosität, keine Körpersprache, keine unausgesprochenen Herzenswünsche. Sie kann Texte zusammenbauen, aber keine Verbindung herstellen.
Wenn Gäste zu Rednern werden – eine emotionale Doppelbelastung
Ein weiterer Punkt, der oft unterschätzt wird:
Wenn jemand aus dem Freundes- oder Familienkreis die Zeremonie übernimmt, kann diese Person nicht einfach Gast sein.
Sie ist nervös, sie steht unter Druck, sie möchte alles richtig machen – und wird im schlimmsten Fall mehr damit beschäftigt sein, an den Text zu denken, als wirklich präsent zu sein. Oft sitzt diese Person wochenlang über ihrem Manuskript, schreibt um, löscht, zweifelt – und greift dann doch zu ChatGPT, weil es schnell gehen muss.
Nicht falsch verstehen: Eine von Herzen kommende Rede einer vertrauten Person kann wunderschön sein. Aber sie ist etwas völlig anderes als eine freie Trauung, die dramaturgisch durchdacht, auf den Punkt erzählt und mit professioneller Stimme in Szene gesetzt wird.
KI kann unterstützen – aber keine Verantwortung übernehmen
Ich liebe Sprache. Und ich finde es faszinierend, was KI-Tools wie ChatGPT heute leisten können.
Viele meiner Paare nutzen solche Tools auch – um erste Gedanken zu sortieren, Eheversprechen zu entwerfen oder einen Einstieg für ihr "Ja, ich will" zu finden. Dafür ist KI großartig.
Aber sie bleibt immer: ein Werkzeug in der Hand eines Menschen.
Die Verantwortung für die Atmosphäre, für das Timing, für die Dramaturgie, für den emotionalen Flow – das alles kann keine Maschine übernehmen. Eine schöne Rede zu schreiben, ist das eine. Sie live so zu halten, dass sie die Menschen berührt – das ist eine Kunst. Und eine Aufgabe für Profis.
Echte Momente brauchen echte Menschen
Eine freie Trauung ist viel mehr als ein hübscher Text. Sie ist ein Raum, in dem zwei Menschen sich mit ihrer Geschichte zeigen. Sie ist ein Moment, in dem Lachen und Tränen gleichermaßen Platz haben dürfen. Sie ist oft der Höhepunkt des Tages – nicht nur für das Paar, sondern auch für die Gäste.
Diesen Raum zu halten, ihn würdevoll und lebendig zu gestalten, auf das Paar zugeschnitten, mit Empathie, Humor und Tiefgang – das ist mein Beruf. Und meine Berufung.
Deshalb: Lasst euch begleiten – nicht ersetzen
Künstliche Intelligenz kann vieles erleichtern.
Aber sie kann keine Beziehung aufbauen. Kein Herzklopfen spüren. Keine Gänsehaut erzeugen.
Und genau deshalb ist die Antwort auf die Frage „Traurednerin oder Gast mit ChatGPT-Text?“ für mich klar:
Lasst Eure Gäste Gäste sein.
Vertraut auf echte Worte für echte Gefühle.
Und schenkt euch eine Zeremonie, die ihr nicht vergessen werdet – weil sie wirklich von euch erzählt.